Feuerprobe: Leichtigkeit eines Kindes

Feuerprobe, Buchauszug zum Bild:

Der Engel legt mir begütigend eine Hand auf die Schulter und ich beruhige mich etwas unter diese Berührung. Dann beugt er sich herunter und nimmt meine Hand in die Seine und schreibt mit mir zusammen das Wort aus Epheser 6,10 auf das vor mir liegende Blatt:

Seid stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke!

Er schreibt es so groß, dass die Seite damit gefüllt ist. Dann blät-tert er auf die nächste Seite und schreibt ebenso groß den ersten Teil von Vers 11:

Zieht an die ganze Waffenrüstung Gottes.

Dann blättert er zurück und lässt meine Hand los. Ich starre für einen Moment fragend auf das Papier vor mir. Was hat das zu bedeuten?

Immer wieder lese ich die Worte in den großen Buchstaben – jedes Einzelne. Schließlich kommt mir eine Idee, warum der Engel das mit mir zusammen gemacht hat: Ein Problem für uns moderne Gläubige besteht darin, dass wir nach ein paar Jahren in der Gemeindemühle die Texte schon so oft gehört oder sogar gelesen haben, dass wir die Worte und ihr Gewicht gar nicht mehr wahrnehmen. Wir nehmen so einen ganzen Textblock wie die „Waffenrüstung“, 10 Verse, 180 Worte, lesen in einem Stück drüber und meinen, wir wüssten, was da steht. Wenn ich die Methode des Engels anwende und den Text so auseinander ziehe, dass ich dafür 25 Seiten verwenden muss, ja dann liest sich das ganz anders.

Wegen der Größe der Schrift, und weil ich meine Hand von der des Engels führen lassen musste, schrieb ich ganz bedacht und langsam – wie ein Kind, das Buchstaben aufmalt. Ich spüre, der Engel will wirklich, dass ich den Text auf diese Weise weiter-schreibe – auf eine Weise, die mich gleichzeitig schreiben, lesen und nachdenken lässt über jedes einzelne Wort. Etwas widerstrebt es mir, so viel Papier, Tinte und Zeit zu „verschwenden“ für so wenige Verse. Die deutsche Sparsamkeit meldet sich.

Außerdem will ich alles schnell lesen und dann damit fertig sein, um etwas anderes zu tun. Ich spüre deutlich den Widerstand in mir, mich tief und ganz auf diese wenigen Worte einzulassen.

„Einlassen, das ist das Wort, um das es Jüngern geht“, meint da der Engel zu mir, der meine Gedanken gehört hat. „In eurer an Zerstreuung und Eile gewöhnten Kultur fehlt das tiefe und ganzheitliche sich Einlassen auf etwas. Wenn du dich auf die Worte Gottes mit Hingabe, Zeit, Nachsinnen und Unabgelenktheit einlässt, dann haben sie die Chance, bis in dein Herz vorzudringen, bis in deine Tiefe und dort zu wirken. Was nicht bis dorthin vordringen kann, hat keine Möglichkeit, Wurzeln zu schlagen, aufzusprossen und Frucht zu bringen.

Sieh die Fruchtlosigkeit der Kirche einmal in diesem Licht. So viele Worte werden gepredigt und so wenig Frucht gebracht, es herrscht ein aberwitziges Missverhältnis.