Die Schriftrolle der Liebe 2: unscheinbares Zelt

Die Schriftrolle der Liebe, Buchauszug zum Bild:

3. Strophe 

Kommt in das Zelt der Begegnung,
betretet den heiligen Boden
mit Freude und Erwartung.
Dort seid ihr stets willkommen,
und die Liebe wartet schon auf euch.
Sie hat süßen Kuchen für euch bereitet,
Nahrung für die hungernde Seele;
und Wasser des Lebens hat sie
für den Durst der Seele
nach Leben und nach Frieden.
Dort im Verborgenen streicht sie euch über das Haar
und lehrt euch ihre Wege,
die höher als die Wege der Erde sind.
Dort, in der Abgeschiedenheit, zeigt sie euch
die Wahrheit über alle Dinge.

Auch diese Strophe steht auf dem Pergament der Schriftrol-le der Liebe in so schönen Buchstaben und einer Schrift geschrieben, die uralt aussieht, welch ein Schatz! Meine Finger streichen zärtlich über die Worte wie ich mir vorstelle, dass die Finger der Liebe im Zelt der Begegnung über mein Haar streichen, wie in der Strophe beschrieben. Ihre Augen erkennen mich durch und durch und stützen meine Identität. Sie erinnern mich ohne Worte, nur mit einem Blick, daran, wer ich eigentlich bin und wo ich hingehöre – in dieses Zelt. Wie der Vorraum der Ewigkeit steht es für uns bereit, so wie einst das Zelt der Begegnung des Mose in der Wüste – von außen sieht es  unscheinbar aus, aber im Inneren wohnt Herrlichkeit. 

„Die Kirche wollte über dieses unscheinbare Zelt eine gewaltige Kathedrale bauen, um es sich wie einen Besitz einzuverleiben und aller Welt zu demonstrieren: Seht, wir haben Gott! Und wer ihn haben will, der muss unsere Bedingungen erfüllen und am Eingang unsere Gebühr bezahlen. Wir sind die Verwalter der Heiligkeit und besitzen die Gna-denmittel, ohne die niemand Gott begegnen kann.“, be-ginnt der Lehrerengel seine Erläuterung dieser 3. Strophe der „Lektionen der Einsamkeit“.